rds newsletter:     roma lyrics, fary tales....

Die Romni und die Nachtigall  I  E Romni thai e dilabaitoarea  

(Aus DAS VERLORENE LAND, Luminita Mihai Cioaba, 2012)

         

Die Wahrheit ist, dass die Zigeuner früher ihr eigenes Land besaßen. Jetzt suchen sie es vergebens, die Räder der Wagen suchten die Wege ab nach dem Weg unter dem Himmel der Erde. Nur in ihrer Seele wohnte die Hoffnung, dass sie eines Tages ihr Land finden werden und dann aus allen Teilen der Welt, wohin sie verstreut waren, zurückkehren werden, um es nie wieder zu verlassen. Tagelang, jahrelang waren sie auf der Suche nach dem verlorenen Land unterwegs...

 

Eines Tages saß der Bulibassa sehr verärgert vor seinem Zelt. Persiga, ein junges Mädchen kam zu ihm, blickte in seine Augen und fragte,warum er so traurig sei und an was er denke,denn sie merkte, dass seine Gedanken weit weg waren.

            Der Alte seufzte und sagte ihr:

            "Persiga, wir suchen ständig unser Land und finden es nicht. Ich fühle, wie unser Land vor uns flieht, als ob wir einem Trugbild nachjagten."

             "Aber ich weiss, verehrter Bulibassa, dass du uns in unser Land führen kannst. Du allein kennst den Weg. Ich weiss, dass uns die guten Götter und Geister helfen werden, es zu finden."

             "Die Weisheit deines Vaters hat auch dein Herz erfüllt, schöne Persiga."

             "Du tust mir Unrecht, verehrter Bulibassa. Du lobst mich sehr oft und vergisst dabei, dass ich eine Frau bin und dass die Frauen in unserem Romalager nie erfahren dürfen, was Lob bedeutet."

            "Oh Persiga, du bist aber nicht eine einfache Frau, du bist unsere Prinzessin, weil dein Vater lange Zeit unsere Sippe angeführt hat."

            "Mögen die guten Götter und Geister ihn beruhigen und ruhen lassen, wo er sich jetzt befindet, denn er war mir ein sehr lieber Vater."

Als er die schöne Persiga anblickte, merkte der Alte, wie seine Augen weinten.

           "Aber warum sitzt du hier neben mir? Geh hin und sieh nach deiner Arbeit. Geh lieber in den Wald  und sammle Holz, denn bald kommt die Nacht."

Persiga ging in den Wald. Ihr Herz füllte sich mit Trauer und Schmerz. Die Großmutter hatte sie gelehrt,  jedesmal, wenn Schmerz ihr Herz erfüllte, die Tränen fliessen zu lassen, um es zu waschen, denn nur so mache sich der Schmerz davon. Sie kam an einen See, der von vielen Blumen umgeben war, deren Duft die frische Luft erfüllte.

           Sie setzte sich unter einen Baum und begann zu weinen, um ihre Seele zu erleichtern. Sie fühlte sich sehr einsam und hatte scheinbar die vielen Wege satt, die kein Ende fanden. Sie reisten immer in der Hoffnung, dass sie ihr verlorenes Land finden, All dies und die Sehnsucht nach ihrem Vater ließen sie so sehr weinen, dass die Äste des Baumes erzitterten und die Nachtigall des Waldes vor sie kam und zu ihr sprach:

              "Persiga, Persiga, du bist zu schön, um zu weinen. Die Tränen sind salzig und verbrennen die Haut deiner jungen Wangen und machen sie trocken, häßlich und zerfurcht. Jeder hat seine Sorgen, aber wir müssen nicht weinen."

             "Lass mich, Nachtigall, du weisst nicht, was Schmerz bedeutet. Du singst den ganzen Tag lang und es kümmert dich nichts."

             "Das glaubst du. Das glauben alle. Wenn ich den ganzen Tag singe, kümmere mich nichts. Du und die anderen irrt euch, denn wenn ihr wüsstet, was mein Gesang erzählt, würdet ihr nicht mehr so denken."

             Persiga blickte sie sehr aufmerksam an und sagte ihr:

            "Danke dem Himmel, dass du glücklich bist, in deiner Welt kennst du den Schmerz nicht..."

            "Hör mir zu. Im Frühling begegnete ich einem Nachtigallmännchen und wir waren sehr glücklich. Eines nachts, als wir verliebt zwitscherten, entführte ihn ein Uhu. Ich blieb allein. Was mich noch am Leben hielt, war der Gedanke, dass ich die Eier ausbrüten musste, aus denen die kleinen Nachtigallen schlüpfen werden. Nach kurzer Zeit hatte ich das Glück, fünf Junge zu haben, die schön waren wie das Sonnenlicht. Eines Tages, als ich auf Futtersuche war, kam eine große Schlange, kroch auf den Baum, wo meine kleinen Jungen im Nest saßen, und... als ich ankam, sah ich,  wie die Schlange das letzte Junge verschlang. Ich sah, wie es sich mit den Flügelchen schlagend im Schlangenmaul wand. Sag an...weiss ich nun, was Schmerz bedeutet?"

            "Die schöne Persiga wusste nichts mehr zu sagen. Ihr fehlten die Worte. Sie blickte bloss die Nachtigall an und seufzte. Die Nachtigall sagte ihr:

            "Überall lauern Sorgen und Schmerz, sowohl in eurer als auch in unserer Welt. Wenn du mich wirklich kennen würdest, wüßtest du, dass ich in dem schönen Lied meine schmerzliche Geschichte erzähle. Mein Schmerz ist Lied geworden...."

             Persiga sagte der Nachtigall:

             "Verzeih mir bitte, ich konnte mir nicht denken, dass du, so klein und schön wie du bist, so große Sorgen trägst, die deinem Gesang Schönheit verleihen."

             "Ich verstehe, was in deiner Seele los ist, deshalb will ich dir etwas schenken, das niemand sonst haben soll."

             "Was könntest du mir schenken, schöner Waldvogel?"

             "Ich werde dir etwas schenken, das nur deine in alle Winde verstreute Sippe besitzen wird."

             "Warum schenkst du uns so etwas?"

             "Weil ihr wie die Waldvögel seid. Euch umgibt viel Trauer und der Hass der anderen Menschen. Von nun an sollt ihr allein etwas besitzen, was die anderen nie besitzen werden."

             Die schöne Persiga wusste nicht warum Zauber und Liebe ihre Seele erfüllten,  während sie den Worten der Waldsängerin lauschte. Die Nachtigall sagte ihr etwas ins Ohr und Persiga ging sehr glücklich heim.

             Als der Bulibasa einschlief, schlich sie in sein Zelt und stahl den Silberbecher, dann versteckte sie sich auf einem Hügel und sogleich kam der schöne Waldvogel zu ihr und fragte sie:

             "Hast du gebracht, was ich dir gesagt habe?"

             "Ja. Ich habe alles dabei."

             "Fürchte dich nicht, ich werde bei dir sein und dir geben, was ich dir versprochen habe."

             Sie fürchtete sich nicht. Sie wusste, dass sie es für ihre traurige, heimatlose Sippe tut.  Wenn du etwas für die Deinen tun musst, vergißt du dich.

             Persiga sah den Waldvogel liebevoll an, holte ein Messer hervor und schnitt sich die Vene am linken Handgelenk auf.  Das Blut floss in den Silberbecher. Auch die Nachtigall ließ ihr Blut gemeinsam mit Persigas Blut in den Silberbecher fließen.

               Der Vogel sang, Persiga sang ebenfalls, dann trank sie aus dem Silberbecher das Blut des Vogels vermischt mit ihrem Blut. Sie schlief auf dem Hügel ein. Unter dem Lid öffnete sich der Vorhang des Traumes; sie sah den, nach dem sie sich so sehr sehnte; ihr Vater umarmte sie und sagte ihr:

              "Mein ganzes Leben lang,  solange ich Bulibassa war, suchte ich unser Land, habe es aber nicht gefunden. Mein Kind, du bist jetzt so schön und ich freue mich, dass ich dich sehen darf. Geh hin zum Bulibassa und versammele alle Leute um dich und sage ihnen: Unser Land ist dort, wo sich unser Herz befindet."

               Der Vogel saß bei ihr und wusste, was Persiga träumte.  Als es tagte, begann die Nachtigall zu singen. Persiga öffnete  die Augen und sang, sie sang genauso schön wie die Nachtigall. Dies war das Geschenk, das ihr der Vogel versprochen hatte.

               Persiga lief zur Quelle und dankte den guten Göttern und Geistern, wusch den Silberbecher des Bulibassa und brachte ihn zurück ins Zelt, ohne dass jemand es merkte.

              Plötzlich begann sie aus ganzer Seele zu singen, so dass alle aufwachten und es nicht glauben konnten, wiviel Glück Persigas Gesicht ausstrahlte. Sie erzählte ihren Traum und dann ging sie zu jedem hin und berührte sie alle, so dass alle vom Gesang und vom Glück verzaubert wurden wie sie.

 

             Die Nachtigall hatte ihr ihre Seele und ihr Lied geschenkt. Seither singen diese Leute und sind glücklich wie niemand sonst. Viele beneiden sie und wollen so unbekümmert sein wie sie.

            Ganz gleich, ob sie traurig oder glücklich sind, singen die Roma, denn der Gesang ist ihr Leben